Montag, 14. Januar 2013

Die Pein des Lernens


Da sitze ich, wie zurzeit jeden Tag, an einem Tisch im Lesesaal unserer Zentralbibliothek. Vor mir die Bücher aufgeschlagen. Respektive neben mir. Sie mussten Platz machen für meinen Laptop. Jetzt will ich schreiben. Später werde ich lernen.

Es ist still im Saal. Alle lernen sie, die Studenten, fleissig wie Bienen. Sie machen kaum Geräusche. Anstelle des Summens hört man ab und zu ein Klicken eines Taschenrechners, das umblättern eines Buches oder das Knattern von verstaubten Hirnzellen. Die meisten sind nicht motiviert, aber von einer subtilen Versagensangst getrieben. Andere sind motiviert und haben deshalb noch mehr dieser subtilen Angst, da man ihnen wegnehmen würde, was sie anscheinend gerne tun, wenn sie die Prüfungen nicht schaffen. Dies sind dann auch jene, die beinahe mit dem Stuhl verwachsen, da sie in der Gefahr, eine Minute Lernzeit zu verpassen, im Grundsatz auf Pausen verzichten. Sie sind am Morgen schon da, wenn ich komme und bleiben am Abend, wenn ich gehe. Sie sitzen am selben Platz, auf demselben Stuhl in derselben Position wie ich sie am Abend „zurückgelassen“ habe… beeindruckend. Oft bin ich mir nicht sicher, ob „es“ überhaupt lebt…

Die vielen Gesichter dieser armen Studenten im Raum sind von Sorgenfalten gezeichnet. Kaum sieht man sie noch, die unbeschwerte glatte Haut der Jugend. Viele scheinen erwachsen zu werden und einige sind es schon längst geworden, in diesem „Saal des Wissens“, gepeinigt auf dem Weg zu einer aussichtsreichen Zukunft. Blicken sich zwei bekannte Gesichter an, runzeln sie ihre Stirn oft sogar noch heftiger, in einer Art Wettkampf und jeder will ihn erringen, den Sieg um den hoffnungsloseren Gesichtsausdruck im Kampf mit dem unendlich wirkenden Prüfungsstoff.

Meine Leidensgenossen und ich hingegen lächeln uns an. Es ist ein Lachen der Resignation, vielleicht der Hilflosigkeit, doch auch der gegenseitigen Anteilnahme, der Aufmunterung und zudem sind wir fest entschlossen, unsere jugendlichen Gesichtszüge nicht aufgrund von so lapidaren Dingen wie einer Semesterprüfung preiszugeben... dann lieber für Beziehungsprobleme und/oder verlorene Fussball- oder Volleyballspiele...

Tiefes Schnaufen. Vor mir, neben mir, hinter mir. Ein Mal aus Erleichterung (neben mir), zwei Mal aus Verzweiflung (vor und hinter mir). Neben mir wird zusammengepackt. Vor und hinter mir nochmals zurückgeblättert.

EIN LAUTER KNALL DURCHQUERT DEN RAUM

Alle drehen sich um. Suchen die Ursache. Verwirrung herrscht. Sie tauschen Blicke aus. Wie ein verwirrter Haufen Erdmännchen durchforsten sie den Raum, neugierig und leicht genervt ob der unliebsamen Unterbrechung.

Sie sind erwacht und haben ihre Welt der Wirtschaft und Chemie, der Psychologie und der Medizin verlassen. Na ja, die Meisten… Unsere Marathon- Lerner lassen sich nicht beeindrucken. Knallhart richten sie ihren Blick auf ihre Unterlagen und hämmern sich ihren Stoff rein.

Als Rudeltier mache ich natürlich mit bei dieser allgemeinen Verwirrung und suche die Ursache. Was? Wo? Warum?

Von hinten stupst mir jemand sanft auf die Schulter. Ich drehe mich um. Eine junge Frau verweist mich auf einen Gegenstand, der nahe an einem meiner Stuhlbeine lag.

Ein Stift fiel zu Boden!  MEIN Stift fiel zu Boden!

Nun gut, der Knall war nicht wirklich laut. Aber er erzielte die gleiche Wirkung wie der Wecker jeden Morgen. Man wird unsanft aus seinen (Alp-)Träumen gerissen. Zurück in die Realität. Dafür braucht es nichts ohrenbetäubendes, nur etwas unliebsames. Nichts lautes, nur einen unpassenden Moment. Blöder Wecker. Blöder Stift.

Ein kurzer Blick in die Runde verrät mir, dass es sich nicht mehr lohnt, dies zu verheimlichen. Die meisten lachen. Lächeln mich an. Etwas mitleidig. Manche erheitert. Einige teilnahmslos. Kurze Zeit später nimmt die Zeit wieder ihren gewohnten Lauf. Alle blicken sie auf ihre Bücher und verkriechen sich in ihre sorgenvollen Mienen, so wie es sein muss.

Ich sollte jetzt auch wieder lernen. Doch schreiben ist anstrengend. Ich mach mal ne Pause. Ich werde später lernen. Morgen oder so.  

2 Kommentare:

  1. Ich leide mit dir!
    Sitze auch tagtäglich im Lesesaal und lerne oder versuche es zumindest. Nur irgendwie scheinen meine Sitznachbarn da wesentlich disziplinierter ans Werk zu gehen. Hab das Gefühl, dass wenn jemand in diesem Raum mal auf Toilette muss, dass immer ich das bin :D Und der Stift der runterfällt kommt nur allzubekannt vor...aber immerhin bin ich nicht diejenige, die erkältet ist und ständig husten muss. Das finde ich noch viel störender :D

    Liebe Grüße,
    Saskia von I study ...wtf?!

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    1. bezüglich Disziplin schwankt es in "meinem" Lesesaal gewaltig. Da erkennt man von früh Morgens bis spät Abends und von Montags bis Samstags ein markantes Nachlassen ebendieser Disziplin... ;). Wenn da jeweils am Morgen die Blase einem gewaltigen Wasserreservoir gleicht, so verkommt sie am Nachmittag scheinbar zu einem kleinen Sake- Becher... ;)
      Zu Beginn meiner Lernzeit für diese Semesterprüfungen hatte ich Husten... Damit ich nicht eine Staatskrise auslöse im Lesesaal, hab ich mir eine Riesenpackung Ricola besorgt und vorsorglich jeglichen Hustenreiz vernichtet ;).
      Ich hoffe du/ihr kommt mit dem Lernen voran... ich nicht wirklich, ich blogge irgendwie zuviel ;).

      Liebe Grüsse
      Adi

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